Lange verschollener Gast kehrt zurück

Dohle, die aus Vogelkasten guckt.
Vogelkasten Nr. 5 mit eingezogener Dohle. Foto: S. Fuchs

Die Dohle ist eine extrem faszinierende Vogelart. Nicht nur das sie selbst zu den intelligentesten
Vögeln der Welt gehört, mag ich ihre schöne aristokratische Erscheinung mindestens genauso sehr, wie ihr wahnsinnig geschicktes & rasantes Flugkönnen. Die Dohle zählt zu den Rabenvögeln & ist in ihrer Gestalt eine kleinere, dynamisch gebaute Corvide, mit einem grauen Hals/Nackenbereich & eisblauen markanten Augen. Die Art ist über die gesamte Westpaläarktis von Nordafrika bis hinunter zum Baikalsee beheimatet. In Europa belaufen sich grobe Schätzungen auf ca. 10 Millionen Brutpaare, wobei für die Türkei & Russland die größten Populationen zu verzeichnen sind.

 

Die Lebensweise der Dohle

Dohle, die einen Zweig in den Vogelkasten manövriert.
Außerordentlich geschickt manövriert dieses Tier die Zweige durch das Kastenloch ins Innere. Foto: S. Fuchs

Wie fast alle Rabenartigen fand auch die Dohle Einzug in die Kulturgeschichte, unterlag dabei jedoch
zwar auch der negativen Verurteilung aber deutlich geringerer Verfolgung durch den Menschen.
Vermutlich fand diese markante Art ob ihrer melodiösen Rufe & geringeren Größe, als beispielsweise Kolkrabe oder Rabenkrähe, eben schon früher auch Sympathisanten.
Die Dohle ernährt sich vornehmlich von Samen & kleinerem Getier wie Spinnen, Regenwürmern u.a.
Wirbeltiere finden sich in ihrem Nahrungsspektrum kaum mehr wieder. Der Großteil der Dohlen wandert in der kalten Jahreszeit ab & unternimmt Teilzüge was dann dazu führt, dass Brutareale im Winter von nördlicheren Dohlen besetzt werden & es ganzjährig zu Dohlenbeobachtungen kommen kann. Es verschieben sich demnach die Teilpopulationen einfach ganzheitlich Richtung Südwesten.

 

Dohlenpopulation im Spreewald

Vogelkasten für Dohlen an Straßenbaum.
Dort hängt der erstmalig bezogene Kasten, direkt neben der Paul-Gerhardt-Kirche. Foto: S. Fuchs

Nicht selten schließen sich diese dann den größeren Saatkrähenbeständen an, mit welchen sie sich
auch die Schlafplätze in zumeist höheren Bäumen teilen.


Die Dohle gilt eigentlich als Kulturfolger & kann in urbanen Bereichen größte Dichten erreichen & übersteigt in diesen Brutverbänden vermutlich auch ursprüngliche Koloniedichten, die durch die Anzahl von natürlichen Baumhöhlen beschränkt wurden.

Kurzum, eine Kleinstadt mit vielen Nischen & Klaftern in den Gebäuden & Industrieanlagen, kann auf kleinem Raum mehr Nistplätze zur Verfügung stellen, als das in einem natürlichen Waldgebiet möglich ist, denn Schwarzspechthöhlen waren von jeher nicht zahlreich vorhanden & erst recht nicht auf engem Raum, was Voraussetzung für die Koloniegründung der Dohle ist. Durch den Wegfall dieser Nischen & Spalten in Gebäuden kommt der Dohle dasselbe Schicksal wie z.B. dem Mauersegler oder Haussperling zu. Neue Energieschutzverordnungen verpflichten Bauunternehmen bei der Rekonstruktion zum Einhalten von Dichtigkeitsregularien, die auch zu homogenen Sanierungen von Fassaden oder Dächern führen. Kurzum, es gibt immer weniger Nistplätze in den Städten & Dörfern. So führte vermutlich auch dieser Grund bereits vor nunmehr fast 60 Jahren zum großräumigen Verlust der Dohle als Brutvogel im Spreewald. So viele Jahrzehnte fehlte diese Charakterart der Grünländereien in den Niederungsgebieten dieser naturräumlichen Gegend, lediglich Einzelbeobachtungen versierter Ornithologen erbrachten hin & wieder noch Vorkommensnachweise ohne präzisen Brutnachweis, so z.B. aus der Jäger- & Schützenstraße in Lübben & dem Vetschauer Kraftwerk, aus dessen Blöcken bei der Sprengung ein Dutzend Dohlen aufflog (A. Weingardt, schriftl.).

 

Die Beobachtungen rissen ab 1993 dann aber endgültig ab, wenngleich es zu dieser Zeit noch genügend Nahrung auf den Spreewaldwiesen gab, sei es auf den kleinteiligen Ackerbauflächen oder aber auf den extensiv bewirtschafteten & damals noch buntblumigen Mahd- & Weideflächen. So bleibt einzig der Mangel an Nistplätzen der Grund für den Verlust dieser wunderbaren Art anzunehmen & bestätigte sich durch einen Projektversuch auch umgehend.

 

Projekt zur Wiederansiedlung der Dohlen

Im Februar 2015 wurden an den Kirchen in Zerkwitz & Lübbenau mehrere großformatige Dohlenkästen installiert & noch im gleichen Jahr durch die Zielart besetzt. Mehrere Paare schritten erfolgreich zur Brut. Selten erhält man so umgehend so tolle Erfolge & erst recht nicht, wenn es sich um eine Art handelt, die zu diesem Zeitpunkt knapp 60 Jahre nicht mehr im Einzugsgebiet gebrütet hat.

 

Um das Angebot an Nistplätzen für diese Art weiter zu streuen & zu vergrößern, organisierte Arnulf Weingardt, Vorsitzender des NABU-Lübben, 5 weitere dieser Kästen & gemeinsam mit einem
Angestellten der Stadt Lübbenau, sowie dessen Hubsteiger, installierten wir diese am 28. Januar 2020 unterhalb der Paul-Gerhardt-Kirche in Lübben. Das Übereinkommen mit der Stadtverwaltung war vollkommen problemlos & berichtete umgehend über das Vorhaben. Bericht:
Nistkästen sollen Dohlen nach Lübben zurückbringen - Landkreis Oberspreewald-Lausitz - WochenKurier


Was in Zerkwitz so super klappte, muss doch in Lübben auch problemlos funktionieren….dachte ich zumindest & ließ mich zu einem Versprechen gegenüber der Stadtsprecherin verleiten: „Die Dohlen werden die Kästen ganz sicher annehmen. Versprochen!“

Nunja, 3 Jahre hatte ich Bauchschmerzen & musste immer wieder wenn ich die Kästen kontrollieren fuhr oder über den Marktplatz schlenderte, an meine Aussage denken….solange bis mich eine am 10. April diesen Jahres eine SMS von Arnulf ereilte in welcher die frohe Botschaft stand: "DOHLENKASTEN NR. 5 AN DER KIRCHE BEFLOGEN."

 


Erfolg dank Engagement von NABU-Mitgliedern

Nistkästen werden aufgehangen.
Installation der Kästen im Jahr 2020. Foto: S. Fuchs

Umgehend fuhr ich nach Lübben & konnte das besagte Paar beim Nestbau beobachten. Eifrig
knipsten die beiden trockene Ästchen in einer nahe gelegenen Linde ab & transportierten diese in
ihren Kasten. Dabei stellten sie sich außerordentlich geschickt an beim Einfädeln, auch sehr langer
Zweige, & ließen sich von den knapp unter ihnen spazierenden Menschen überhaupt nicht stören.
Was für ein schönes Bild & endlich wieder Dohlen in Lübben als bestätigte Brutvogelart nach nunmehr
60 Jahren!
Auch an einem anderen Standort in Lübben, auf dem Privatgrundstück eines NABU Mitgliedes ließ sich in diesem Jahr ein Dohlenpaar zur Brut nieder, sodass wir hoffen, dass im kommenden Jahr eine
Wiederholung stattfindet & sich die Einzelpaare allmählich zu kleinen Kolonien zusammenschließen
& vergrößern, denn leider sind beide Bruten in diesem Jahr zu keinem erfolgreichen Abschluss
gekommen. In beiden Fällen waren die in der Nachbarschaft brütenden Nebelkrähen in ihrer Größe & Vehemenz, einfach zu dominant in den Revierkämpfen & zwangen die kleineren Dohlen nach
wochenlangen Streitereien zum Abzug.

Das kann sich aber sehr schnell ändern, wenn die Dohlen nämlich als Koloniebildner in mehreren Individuen den Nebelkrähen Paroli bilden.


Wir sind auf das nächste Frühjahr gespannt & hoffen, dass bald mehr Menschen oder auch
Wohnungsgenossenschaften großformatige Kästen an ihren Gebäuden installieren & dafür Sorge
tragen, dass diese bildschöne, kluge Art, welche übrigens Menschen individuell unterscheiden &
dementsprechend auch mögen können, zurückkehrt.

 

Autor: Sebastian Fuchs